Okuns Blindheit - Eine Geschichte von den Belluino

Geschichten

Zu einer Zeit, als noch keiner unserer Urväter über die Steppen und Hügel der Pylae sprang, da lagen die Erschaffende Mutter und der Bewahrende Vater im Wettstreit, wer der Schöpfung die Krönung aufsetzen würde. Amalay schuf Pflanzen, Wandelpflanzen, Tiere und allerlei Lebendiges und Okun schuf neue Erden, Steine und Metalle und alles, was tot ist. Amalay würdigte Okuns dauerhafte, aber rohe Schöpfungen, indem sie ihre Geschöpfe hieß, nach eigenem Können und Geschick kunstfertige Dinge aus den Gaben Okuns zu schaffen. Okun würdigte Amalays kurzlebige Geschöpfe, indem er nach ihrem Bild die Geister als unvergängliche Erinnerung ihr Sein und ihre Taten schuf und bewahrte.

Beide Götter hatten unter den Völkern, die damals lebten, ihre jeweiligen Getreuen. Wie die Götter selbst lagen auch ihre sterblichen Diener im Wettstreit, wer der Welt seine dauerhaften Kratzspuren und Bissmarken beibringen und zum Ruhme eines der Zwillingsgötter Häuptling unter den Völkern sein würde. Doch die Kämpfe dauerten an, und die Götter hoben immer mehr Dinge aus den Wassern und aus der Erde, die nicht nur schön, sondern auch gefährlich waren. Da grollten die Diener Okuns ob ihrer vielen toten Weggefährten, denn Amalay bewahrte Ihre im Licht wandelnden Geschöpfe allzu oft vor dem Tod. Doch Okun hieß die seinen, weiter für ihn zu leben und zu sterben, damit er Geister aus ihnen machen könnte, die ihre lebenden Vorbilder an perfekter Form, Wissen und Macht überstrahlten.

Da wurde einer von Okuns Häuptlingen so zornig, dass er aus der Tiefe unter der Erde emporstieg und aus der Leiche eines seiner Krieger die dornenbewehrte Ranke riss, die diesen getötet hatte. Er schrie und stampfte und hielt die mannshohe Dornenranke in die Höhe, fordernd, dass Okun sich ansähe, was er seinem Volk zumutete. Okun stieg nun ebenfalls herauf aus seiner Tiefe und trat ins blendende Licht Amalays, um zu fragen, was der Radau solle. Da schlug ihm der Häuptling, rasend vor Zorn, die Ranke ins Gesicht und schrie: "Wenn du das Leid deiner Diener nicht sehen willst, dann sieh nichts mehr von ihnen!" Und obwohl der Häuptling und die Ranke vergingen wie alles, was Okun zu Nahe kam, blieb ein zorngleißender Dorn in Okuns rechtem Auge stecken und er wurde blind für die Taten des unterirdischen Volkes.

Dies alles hatte der Schamane des Häuptlings aus sicherer Entfernung beobachtet. Er kehrte zurück in die Tiefe unter der Erde und berichtete seinem Stamm davon. Da hob unter dem Tiefen Volk ein Wehklagen an um den tapferen Häuptling und Furcht machte sich breit, dass Okun sich rächen könnte. Doch der Große Jäger setzte ihnen nicht nach. Da begannen sie, unter der Erde zu freveln, bis Amalay davon erfuhr und neues Leben erschuf, um dem Tiefen Volk Einhalt zu gebieten:

Damals zog der erste Arrodo seine Kratzspuren in den Steppenboden. So erzählen es die Ahnen. Ehre den Geistern.

Zuletzt geändert am 21.06.2020 19:19 Uhr